1. Humanitärer Transport für die Ukraine - Reisebericht



Für die Initiative "Ratzeburg hilft" konnte ich mit dem Firmentransporter meines Arbeitgebers Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze fahren. Das war eine recht spontan organisierte Wochenendaktion, mit 2400km in 2 Tagen.


 
Und hier nachfolgend nun der Hauptbericht:

Im Kino Burgtheater Ratzeburg stapeln sich die Sachspenden und werden von freiwilligen Helfern sortiert.

Dort wurde auch der Transporter am Freitag Abend beladen: 

Diese Packliste hab ich zunächst nicht so richtig ernst genommen, aber sie wurde an der Grenze tatsächlich verlangt:


Samstag früh 6:15h ging es los (nach einer Nacht mit wenig Schlaf, denn offenbar war ich doch etwas nervös). 


Geplante Route zum Grenzübergang Korczowa: 

Es gab auch einen schon nachts gestarteten Transport mit einigen Stunden Vorsprung, von denen wurde ich auf dem Laufenden gehalten und vor Überraschungen gewarnt. (Danke, Jenny!!)


Stundenlange Fahrt. Von praller Sonne bis Schneegestöber war alles Wetter vertreten. Erstaunlich viele Gleichgesinnte waren unterwegs, aus Österreich, den Niederlanden, Dänemark, der Schweiz, Litauen, sogar UK, mit entsprechenden Schildern und Flaggen auf ihren Autos.


Irgendwann kamen die ersten Hinweise auf die Grenze ...

Nach 10stündiger Fahrt kurz vor der Grenze allerdings die ernüchternde Nachricht, dass meine Kontaktpersonen "von drüben" wegen Autopanne noch viel länger brauchen :(

Also erst mal an der Raststätte parken und auf Übernachtung einrichten - aber dann soll es plötzlich doch weitergehen, und ich folge (leider schon Dunkeln) der Autobahn bis zur Grenze.

Lange Schlangen, unübersichtlich ... Und ich ohne Pass!


Es kam, wie es kommen musste. Nach ewiger Wartezeit, wo ich nur im Schneckentempo endlich bis zum polnischen Kontrollposten vorgedrungen war, wurde ich dort nicht durchgelassen. Trotz Diskussionen und Bettelei, die nehmen ihren Job äußerst ernst ... Ich musste mitten in den Autoschlangen irgendwie wenden und zurück zum Hinterausgang. Es gelang mir zwar noch, mich für eine Weile in einer versteckten Ecke hinterm Grenzhaus an die Seite zu stellen, falls es doch noch neue Infos oder ein plötzliches Wunder gibt, aber da konnte ich natürlich nicht die ganze Nacht bleiben.

Neuer Plan: Grenzübergang Shegini/ Shehyni weiter südlich, da soll ich es morgen früh probieren, weil jemand jemanden kennt und dort vielleicht was arrangieren kann.

Die Nacht hab ich schon kurz vorm Ziel hier auf dem rechten Streifen verbracht (das Foto ist vom Tag danach), das war ok. Ich hatte ja die halbe Campingausrüstung dabei ;)


Ein Bett im Crafter-Fahrerhaus ... wohl dem, der kein Riese ist :)

Und dann bin ich Sonntag früh los zur Grenze. Es war längere Zeit unklar, ob jemand nun zur Übergabe aus der Ukraine nach Polen kommen kann oder ob ich den Grenzübertritt noch mal versuchen soll. Um keine Zeit zu verlieren, hab ich mich in die Schlange gestellt. Hier am kleinen Grenzübergang konnte ich da jederzeit wieder rausfahren und hab auch auf der Gegenfahrbahn gut gesehen, wer von drüben herkam.


Zwei Autos vor mir die Leute aus Cottbus, mit dem Anhänger voller Kartons, die in ähnlicher, ungewisser Lage waren wie ich, nämlich nur mit Perso unterwegs. (Ich habe viele Betroffene gesehen, die weggeschickt wurden, und mit einigen gesprochen. Wir alle waren mit dieser Informationslage aus DE gestartet ... wir sind ja nicht blöd.)


Wir drangen gemeinsam bis zum Kontrollpunkt vor, und plötzlich sah es gut aus mit Perso statt Pass, yeah. Leider mussten die Cottbuser noch mal abdrehen, und ich habe nichts mehr von ihnen gehört. 
Update: Ich habe am Tag danach die Caritas Cottbus angerufen, um mich nach den beiden zu erkundigen, und auch Martin & Sascha konnten alles erfolgreich zu Ende bringen, trotz großer Widrigkeiten! Eine gute Nachricht.

Und ich, ja, ich kam tatsächlich durch!!

Allerdings nicht weit. 

Denn auch die ukrainische Grenzbürokratie ist streng und unerbittlich. Sogar das Auto bekam einen Passierschein (oder was auch immer das ist).


Aber dann auch hier: Kein Durchkommen ohne Pass. Da stand ich nun im Niemandsland (das in Wahrheit wohl schon ukrainisches Gebiet war), und weiter ging es nicht. 

Bei der Laderaumkontrolle sah ich, dass dieser österreichische Van vor mir lauter leere Haustierkäfige und Transportboxen dabei hatte ...

Eigentlich sollte dies ja die "Transitzone" sein, von der zuvor immer alle gesprochen haben: ein besonderer Bereich, wo man die Umladung der Fracht machen könne, weil die ukrainischen Männer gerade das Land nicht verlassen dürfen. Ich sah aber nirgends solch einen besonderen Bereich, und wo ich stand, wurde ich misstrauisch beäugt und auf ukrainisch weggeschickt (glaube ich jedenfalls). Und wer will schon mit grimmigen Maschinengewehrmännern diskutieren ...

Viele Chatnachrichten und Telefonate später war endlich sichergestellt, dass ich dort erst mal am Rand stehen und warten durfte.


Ich sah hinterm Zaun endlose Karawanen von Fußgängern - wahrscheinlich Flüchtende auf dem Weg Richtung Polen. 


Und plötzlich klopfte ein Mann ans Fenster, der sich als Roman herausstellte: der Fahrer, der mir die Ladung abnehmen sollte. Juhu :)

Wir manövrierten uns Heck an Heck, und in Nullkommanix waren fast alle Kisten umgeladen. Plötzlich packten sogar zwei von den gar nicht mehr so grimmigen Grenzern mit an! Was nicht mehr passte, wurde passend gemacht (mit Auspacken und Tüten etc.). 




Und dann war es das. Mission erfüllt!
=> Kleines Freudentänzchen auf dem Fahrersitz in einem unbeobachteten Moment :)

Zurück auf die polnische Seite, das lief reibungslos. Auf dem folgenden Bild sieht man einen Pulk Leute. Diejenigen, die man von hinten sieht, sind in der selben Richtung unterwegs wie ich, also wahrscheinlich Reisende. Die anderen jedoch, die sich da hinten angesammelt haben, sind lauter Fernsehleute! Da stand tatsächlich ein Haufen Kamerateams, versperrte halb die Fahrbahn und stürzte sich auf jeden, der ihnen entgegenkam!

Über die Rückfahrt gibt es nichts Spannendes zu berichten, außer dass sie natürlich elend lang war. Mittlerweile war schon 13 Uhr durch, und vor mir lagen weitere 11 Stunden Fahrt. Notfalls würde ich anhalten und noch mal im Fahrerhaus schlafen. Ich habe es aber letztendlich durchgezogen und war Montag früh gegen 01:00h wieder zuhause. Todmüde, mit schmerzender Schulter, brennenden Augen, aber soooo zufrieden ...

Mit dem Wissen und den Erfahrungen würde ich das jetzt auch noch mal machen.

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Danke an alle, die dies möglich gemacht haben. 

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